29 Sep Die GDO-Tagung in Köln aus der Sicht eines Orgelbauers
Die GDO kommt nach Köln? Da mach‘ ich mit! – Die GDO-Tagung 2013 in Köln aus Sicht eines Orgelbauers
Der Entschluss zur Teilnahme kam nicht von ungefähr, da wir mit einem der Hauptorganisatoren der GDO-Tagung, Herrn Stefan Braun, bereits während unseres USA-Orgel-Projekts, dem Import und der Restaurierung einer historischen Steere&Turner – Orgel für die Gemeinde St. Maternus in Köln-Rodenkirchen, sehr angenehm zusammen gearbeitet haben. Die Neugier war geweckt, zumal ich zuvor noch nie an einer GDO-Tagung teilgenommen habe. Auch ein Grund, mir das „volle Programm“ zu geben, also alle Tage inklusive aller Late-Night-Specials etc.
Gerne ging ich auch auf Herrn Brauns Bitte ein, als Busbegleiter bzw. als Referent an unseren Orgeln in Köln-Vingst (St. Theodor), Köln-Rodenkirchen (St. Maternus) und natürlich unserer Queen am Rhein in Bonn-Limperich (Heilig Kreuz) aktiv mitzuwirken.
Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete. Natürlich gab es etliche Stimmen, die vor allem die Altersstruktur der GDO zum Thema hatten. Gerade auf meinen Sozialen Medienkanälen gab es schon im Vorfeld den ein oder anderen interessanten Kommentar. Nichtsdestotrotz wollte ich so unbefangen wie möglich an die Sache heran gehen und mir selber ein Bild machen.
Sonntag, der 28.7. beginnt sowohl früh als auch feierlich mit der ersten (und einzigen) Probe des unter der Leitung von Winfried Krane zusammengestellten Projektchores, der mit Vierne’s „Messe solenelle“ das Hochamt im Kölner Dom musikalisch untermalt, was auch für die Kurzfristigkeit ganz gut gelingt.
Singen macht hungrig – so verbringe ich die Zeit bis zur Öffnung des GDO-Tagungsbüros zusammen mit meinen Mitsänger/innen im Früh’s Brauhaus. Der Gesang geht weiter, diesmal in Form einer Horde FC-Köln Fans, die sich zur Generalprobe für das spätere Spiel gegen Düsseldorf ebenfalls im Früh trifft. Was ist schon ein Viertelton unter FC-Freunden… aber alles auswendig, ohne Noten!
Vierne im linken und Fangesang im rechten Ohr geht es am Nachmittag zum GDO-Tagungsbüro an der Trinitatiskirche. Erste Bekannte werden begrüßt, rund ein Dutzend Orgelbegeisterte wühlen konzentriert in den Notenständen des Butz-Verlags. Ein aufmerksamer Hans-Peter Bähr steht daneben und berät. Und tatsächlich die ersten Facebook-Bekanntschaften, denen man endlich einmal persönlich gegenübersteht.
Nach der Anmeldung erst einmal einen Kaffee am Büdchen nebenan geholt. Das scheint einen Nerv zu treffen – über „Wo haben Sie den Kaffee her?“ kommt man ins Gespräch.
So dauert es auch nicht lange bis zur Eröffnung der Tagung in der anliegenden Trinitatiskirche. Über 300 Personen sind angemeldet, insofern ist die Kirche gut gefüllt. Ich sitze hinten und kann so nicht nur Zahl, sondern auch Altersstruktur der Teilnehmer ganz gut überblicken. Mein erster Eindruck: gute Mischung. Keineswegs das „Silbermeer“, auf das man mich seelisch schon vorbereitet hatte.
GDO-Präsident Prof. Schneider beginnt die Veranstaltung mit seiner Begrüßungsrede. Sowohl ihm als auch den folgenden Rednern in Person von Herrn Stefan Braun und Vertretern der beiden Kirchen und der Stadt sind Freude und Spannung auf die kommenden Tage ins Gesicht geschrieben. In seinem kurzweiligen Festvortrag gibt Prof. Karl-Heinz Göttert einen oft augenzwinkerndern Überblick über die Orgelstadt Köln, bevor dann tatsächlich die ersten Orgeltöne der GDO-Tagung erklingen: Johannes Quack spielt an der Klais-Orgel.
Es würde den Rahmen sprengen, über jede einzelne Orgel zu berichten. (Das habe ich ja auch bereits in meinen „live-tweets“ getan…) Etliche sind mir bereits bekannt, wie z.B. die Instrumente der romanischen Kirchen, die Orgel des Altenberger Doms (der quasi bei mir um die Ecke steht). Viel Neues ist auch dabei. Ich denke da nicht zuletzt an die „Neuss-Krefeld-Mönchengladbach“, Tour, während der ich auch als Busbegleiter tätig bin. Eben an dem Tag, an dem es den einzigen „Schluckauf“ im ansonsten perfekt organisierten Programm gibt. Wo ist Bus Nummer 3? Der Fahrer ist nicht zu erreichen. Wäre (natürlich) mein Bus gewesen. So nehme ich Herrn Brauns Platz in Bus 1 ein – ohne größere Kenntnis der Fahrstrecke. Navi sei Dank! Nur die letzte und entscheidende Einfahrt verpassen wir. „Hier ist es! Hier rechts müssen wir…“ kriege ich noch heraus, bevor die Krefelder Lutherkirche schon an uns vorbeizieht und unseren Blicken entschwindet. Die anschließende Rundreise durch Krefeld hat auch was.
7 Tage, 28 Orgeln der unterschiedlichsten Couleur. Werke deutscher Hochromantik (Walcker – Krefeld Lutherkirche, Sauer – MG-Rheydt), neobarocke Instrumente (Peter – Köln Kartäuserkirche), sogar mitteldeutsch inspirierte Orgeln (Wegscheider – Köln Michaelshoven), bis hin zu modernen, z.T. experimentellen Orgeln (Klais – Schlosskirche BN, Peter – Köln Kunststation St. Peter) – es wird die ganze Palette der Köln/Bonner Orgellandschaft aufgezeigt.
Ob mir alles gefällt? Sicherlich nicht – auch als Orgelbauer hat man eben so seine persönlichen Präferenzen. Aber es zeigt sich wieder einmal des Öfteren, dass selbst die schönste Orgel nicht gegen einen akustisch, sagen wir „suboptimalen“ Raum ankämpfen kann. In einem speziellen Fall tut mir sowohl Orgel als auch Orgelbauer wirklich aufrichtig Leid…
Alles andere als Leid werde ich die „Late-Night-Specials“. Der Abend mit Claudio Brizi an seinem Claviorganum in Maria Lyskirchen ist schlichtweg atemberaubend! Begeisterungsstürme des kritischen Fachpublikums nach BWV 565 – noch Fragen?
40 Finger – 424 Tasten, eher am modernen Ende der musikhistorischen Skala angesiedelt, aber nicht minder eindrucksvoll. Markus Hinz, Thomas Roß, Matthias Haarmann und Meik Impekoven an sage und schreibe acht Instrumenten. Irre!
Für das letzte Late Night Special wird der Dom (ja, der Kölner!) nur für die Teilnehmer der GDO Tagung geöffnet. So intim habe ich die Orgeln des Doms noch nie erlebt, selbst bei meinem damaligen Besuch während des Baus des Langhausorgel nicht. Ein besonderer Dank gilt da natürlich Domorganist Prof. Bönig.
Drei unserer Orgeln sind auch mit von der Partie, die auch alle ausgezeichnet vorgestellt werden: Stefan Harwardt an unserer US-Steere&Turner-Orgel in Köln Rodenkirchen „St. Maternus“, Christian Jacob an unserer Queen am Rhein in Bonn-Limperich und Dirk-Johannes Neumann in Köln-Vingst „St. Theodor“, letzterer sogar mit seiner eigenen Komposition „1. Sinfonie für Orgel solo“. Trotz Hüftprobleme schafft es auch mein Vater, in Vingst und Rodenkirchen anwesend zu sein, was mich sehr freut.
Einzig schade ist, dass Köln-Porz „St. Josef“ als unser Opus Maximum mit III/41 nicht im Programm ist, aber die Sanierungsarbeiten in der Kirche machten dem leider einen Strich durch die Rechnung.
Doch es folgen weitere „magische“ Momente. So zum Beispiel, als Christian Jacob in Limperich mit der Sylvestrina celestes und dem 32′ im Pedal die vielleicht leisesten Töne der Tagung spielt – kollektives Augenleuchten, nicht zuletzt nach etlichen Dezibelschlachten der Vortage…
Pompös geht aber auch: die neue Hochdruck-Tuba ertönt das erste mal, quasi als sneak preview. 16-8-4. Ich höre sie das erste Mal nach dem Einbau unter Wettkampfbedingungen. Bewegend!
Ich freue mich sehr über die vielen positiven Rückmeldungen.
„Die Glocken von St. Kunibert läuten nur an hohen Festtagen, wenn es einen neuen Papst gibt – und wenn die GDO kommt.“ so Stefan Braun nach dem kurzen aber feinen Konzert von Prof. Geffert an der Kuhn-Orgel in St. Kunibert. Und tatsächlich: 5 Minuten lang volles Läutwerk. Beeindruckend. Handys und Kameras werden Richtung Kirchturm gereckt. Ja, meine ist auch dabei. Irgendwie schaffe ich es, parallel mit meinem Smartphone einen Tweet auf meine Social-Media-Kanäle abzufeuern. Wieder frage ich mich, was meine Mit-Teilnehmer von meiner ganzen Handy-Flitscherei halten mögen.
Die Mitgliederversammlung gebe ich mir natürlich auch – wenn schon, denn schon. Ich werde nicht enttäuscht. Die Ausblicke auf die kommenden Tagungen machen Lust auf mehr. Bert Wisgerhof stellt die Tagung 2014 in Bergamo vor. 2015 geht’s nach Dresden (spätestens da muss ich mit!), Zwolle 2016 wird beschlossen. Mein Daumen wirbelt über mein Smartphone. Ich laufe im Berichterstatter-Modus.
„Tag 7 hält für Unentwegte noch ein Dessert bereit“ heißt es im Tagungsprogramm. Natürlich bin ich einer der Unentwegten – und für Desserts bin ich sowieso immer zu haben. Also geht’s in die Eifel zu den König-Orgeln im Kloster Steinfeld und in Schleiden. Ich treffe nach Jahren endlich mal Friedbert Weimbs wieder.
Apropos Orgelbauer – wo sind sie geblieben? Nur wenige Kollegen sind dabei. Schade. Desto mehr freut mich jede Möglichkeit zum Austausch. Der liebevoll gestaltete Grillabend bei Klais war da natürlich die perfekte Gelegenheit.
Stichwort Austausch. Eine weitere schöne Erfahrung während der Tagung ist das persönliche Treffen mit etlichen meiner Facebook-Bekanntschaften. Matthias Haarmann, Meik Impekoven, Simon Botschen, Wietse Meinardi, Bert Wisgerhof… endlich steht man sich auch in Person gegenüber. Hätte ich so nicht erwartet.
Grundsätzlich sind die Gespräche und das gemeinsame abendliche bzw. nächtliche Miteinander nicht minder spannend als die vielen Instrumente. Dabei ist es mir egal, ob mein Gegenüber 17 oder 70 Lenze hat. Ja, ich komme noch einmal auf das (leidige?) Thema der Altersstruktur. Natürlich ist die Mehrheit an älteren Orgelfreunden/-innen nicht von der Hand zu weisen. Das Problem einer bestehenden, funktionierenden Gruppe konstant für Nachwuchs zu sorgen ist kein GDO-spezifisches, sondern liegt in der Natur der Sache – banal, aber wahr.
In der Tat konnte ich beobachten, dass die mittlere Altersschicht etwas spärlich besetzt ist. Dafür gab es überraschend viele junge Leute. Für mich als Orgelbauer ein kleiner Lichtblick am ansonsten alles andere als sonnigen Horizont des deutschen Orgelbaus. Diese beiden Gruppen zusammenzuführen ist sicherlich eine Aufgabe, die es innerhalb der GDO zu bewältigen gilt. Aber: es gibt ihn, den Nachwuchs.
Davon abgesehen spielt sicher auch der triviale Grund eine Rolle, dass Pensionäre sich eher eine ganze Woche frei nehmen können als mitten im Beruf stehende Mittvierziger…
Irgendwann ist auch der letzte Orgelton verklungen. Herzliche Abschiede, viele Hände zu schütteln. „Bis nächstes Jahr.“ Was bleibt ist ein runder, stimmiger Eindruck einer minutiös durchorganisierten Tagung. Das Orga-Team, bestehend aus Prof. Bönig, Prof. Geffert, Eckard Isenberg, Matthias Haarmann und – last not least – Hauptorganisator Stefan Braun, hat in meinen Augen ganze Arbeit geleistet. Das zeigt sich nicht zuletzt an dem Tagungsprogramm in Buchform.
Einen Vergleich mit früheren Tagungen kann ich nicht ziehen, da dies wie gesagt meine erste GDO-Tagung war – aber mit Sicherheit nicht meine letzte!
Oliver Schulte, August 2013
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